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Das wird keine Brücke, das bleibt eine Sackgasse!

Kritik zur Minijobreform

 

„Bei den Mini- und Midi-Jobs werden wir Verbesserungen vornehmen: Hürden, die eine Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung erschweren, wollen wir abbauen (…). Gleichzeitig werden wir verhindern, dass Minijobs als Ersatz für reguläre Arbeitsverhältnisse missbraucht oder zur Teilzeitfalle insbesondere für Frauen werden“ so heißt es im Koalitionsvertrag. Jetzt hat die Regierung eine Reform auf den Weg gebracht, die dieses Ziel nicht nur verfehlt, sondern die Minijobs sogar ausweitet. Vor allem für Frauen ist das keine gute Nachricht.

Minijobs wurden 2003 insbesondere mit dem Argument eingeführt, einen leichten Weg in den Arbeitsmarkt zu bieten. Seither sind sie hoch umstritten. Kein Wunder, denn ihre Konstruktion ist tückisch: Bis zu 450 Euro können aktuell verdient werden. Dabei bedeutet brutto in der Regel gleich netto. Das ist verführerisch. Allerdings bieten die Minijobs kaum Entwicklungsmöglichkeiten und es werden keine – oder nur eingeschränkte – Ansprüche in der Sozialversicherung erworben.

Nun will die Koalition die Verdienst-Obergrenze von 450 auf 520 Euro anheben und diese für die Zukunft an die Mindestlohnentwicklung knüpfen. Das ist vor allem das Werk der FDP, die als Preis für die Erhöhung des Mindestlohns die Ausweitung der Minijobs durchgesetzt hat. Im März soll das entsprechende Gesetz durch den Bundestag gehen. Damit werden die Minijobs nicht nur nicht abgebaut, sondern es wird zukünftig sogar noch mehr von ihnen geben. Und das obwohl die Argumente für eine Abkehr von den Minijobs erdrückend sind.

 

Erdrückende Faktenlage

Mittlerweile liegt eine Fülle an Untersuchungen vor, die in der Summe eine eindeutige Sprache sprechen: Die Minijobs sind eine Sackgasse – vor allem für Frauen:

 

  • Fehlende soziale Absicherung und hohe Krisenanfälligkeit

Minijobbende erwerben keine Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung. In der Folge besteht bei Jobverlust weder ein Anrecht auf Arbeitslosengeld noch auf andere Leistungen der Arbeitslosenversicherung, etwa auf Kurzarbeitergeld. Das wiegt umso schwerer, als das Minijobs besonders krisenanfällig sind. Überdeutlich wurde dies in der Corona-Pandemie, wo viele Minijobbende ihren Job verloren. Ist kein anderes Einkommen (ggf. auch anderer Personen im Haushalt) oder Vermögen vorhanden, bleibt nur das Hartz IV-System.

 

  • Gefahr der Altersarmut

Zwar besteht für Minijobbende eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und es ist ein kleiner eigener Beitrag zu zahlen. Das bringt durchaus Vorteile – so wird dadurch die Zeit im Minijob bei der Wartezeit für Altersrenten oder eine Erwerbsminderungsrente angerechnet. Eine ausreichend hohe Rente lässt sich auf der Basis eines Minijobs jedoch nicht erreichen. Zudem machen viele von der Möglichkeit Gebrauch, sich von der Versicherungspflicht gänzlich befreien zu lassen. Die Gefahr von Altersarmut ist die Folge.

 

  • Wenig Brücken- aber deutliche Verdrängungseffekte

Auch die Hoffnung, dass Minijob eine Brücke in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung darstellen, hat sich nicht erfüllt. Minijobs weisen im Vergleich zu anderen atypisch Beschäftigungsformen die geringste Wahrscheinlichkeit auf, in eine reguläre Beschäftigung zu wechseln. Demgegenüber haben Minijobs in relevantem Maß sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verdrängt – allein in kleinen Betrieben sind es laut einer Studie des IAB bis zu 500.000 sozialversicherungspflichtige Stellen.

 

  • Missbrauchsanfällig

Ein Minijob ist arbeitsrechtlich eine ganz normale Teilzeitbeschäftigung. Leistungen wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub stehenden daher auch Minijobbenden zu. Nicht selten werden diese grundlegenden Arbeitnehmer*innenrechte jedoch nicht gewährt. Zudem gilt der gesetzliche Mindestlohn. Bei der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Mindestlohn zwar eingehalten, in der Realität aber nicht selten mehr gearbeitet und somit der Mindestlohn unterlaufen. Wirksame Kontrollen vor Ort finden bisher nicht in ausreichendem Maße statt.

 

  • Kein Beitrag zur Fachkräftesicherung

Auch mit Blick auf den viel beschworenen Fachkräftebedarf ist die Bilanz negativ: Minijobs umfassen zumeist weniger qualifizierte Tätigkeiten, ein Fünftel der Minijobbenden arbeitet unterhalb ihres Qualifikationsniveaus und es gibt kaum Perspektive auf Qualifizierung oder beruflichen Aufstieg. Hier bleibt viel Potential zur Fachkräftesicherung ungenutzt.

 

  • Gleichstellungspolitischer Irrweg

Vor allem Frauen sind betroffen. Von den knapp 7,3 Millionen Minijobbenden sind um die 70 Prozent Frauen. Von den über 4 Millionen ausschließlich Minijobbenden sind über 60 Prozent Frauen. Zumeist sitzen sie in der „Minijob-Falle“, mit hohen persönlichen Risiken und Abhängigkeiten: Die aktuellen Minijob Regelungen verbunden mit weiteren Regelungen, wie etwa dem Ehegattensplitting, halten viele Frauen davon ab, ihre Arbeitszeit auszuweiten bzw. in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu wechseln. Mit dem Minijob können sie ihre Existenz jedoch nicht eigenständig sichern, erwerben keine ausreichende eigenständige Alterssicherung und sind somit auf ihre Partner oder ergänzende Sozialleistungen angewiesen.

 

Wege aus der Sackgasse Minijob

Gewerkschaften kritisieren die Minijob-Reform und haben einen Weg aus den Minijobs hinein in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung skizziert. Kernelement ist eine volle Übernahme des Sozialversicherungsbeitrags durch den Arbeitgeber ab dem ersten verdienten Euro verbunden mit einer mit steigendem Bruttoentgelt schrittweise Beteiligung der Beschäftigten an den Beiträgen bis hin zur Parität Dies wäre eine Abkehr vom Brutto-für-Netto-Prinzip der Minijobs. Da dies für einen relevanten Teil der Haushalte mit Einkommenseinbußen verbunden wäre, wird zugleich eine steuerliche Entlastung für Geringverdiener*innen vorgeschlagen, die diese Einbußen (teil)kompensiert.

 

Weitere Informationen

DGB Gleichstellungscheck: Gleichstellungs-Check jetzt! | Frauen im Deutschen Gewerkschaftsbund (dgb.de)

Verdi online-Petition: Minijob – ver.di (verdi.de)